Was ist der Hypoplastische Linksherzkomplex/das Hypoplastische Linksherzsyndrom (HLHS)?

Um das zu verstehen, ist ein grobes Wissen über das gesunde Herzkreislaufsystem hilfreich. Blut „wandert“ durch den gesamten Körper, unter anderem, um alle Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Nachdem die roten Blutkörperchen den Sauerstoff, den sie tragen, abgegeben haben, kommen sie zunächst am „Rechten Vorhof“ des Herzens an. Von dort fließt das Blut in den „rechten Ventrikel“, der das Blut mit einem sehr geringen Druck in Richtung Lunge pumpt. In der Lunge frisch mit Sauerstoff beladen, und natürlich vom Kohlenstoffdioxid befreit, kommt das Blut auf der linken Seite des Herzens an: zunächst im linken Vorhof, dann im linken Ventrikel. Der linke Ventrikel ist typischerweise deutlich größer als der rechte Ventrikel, mit einer dickeren Wand. Schließlich hat er die Aufgabe, Blut durch den gesamten Körper zu pumpen.

Eine „Hypoplasie“ bezeichnet allgemein eine „Unterentwicklung eines Organs“. Beim Hypoplastischen Linksherzsyndrom ist also die gesamte linke Seite des Herzens unterentwickelt, einschließlich des an den linken Ventrikel anschließenden aufsteigenden Teils der Aorta. Der Durchmesser der Aorta ist verringert. Die Aortenklappe ist oft verengt, manchmal auch nicht vorhanden. Auch die Mitralklappe zwischen linkem Vorhof und linkem Ventrikel ist verengt, oder sie fehlt. Je nach genauer Situation der Herzklappen, kann das HLHS in weitere Untertypen eingeteilt werden.

In der Embryonalentwicklung ermöglicht das sogenannte „Foramen Ovale“ (eine Öffnung zwischen den beiden Vorhöfen), dass Blut vom rechten in den linken Vorhof des Herzens strömt. Daneben bildet der sogenannte „Ductus arteriosus“ eine Verbindung vom Truncus pulmonalis (dem Gefäß, das Blut vom Herz in Richtung Lunge führt) in die Aorta. Über Foramen Ovale und Ductus gelangt Blut also von der rechten zu linken Seite des Herzens. Die Lunge wird hierbei umgangen, denn die nicht entfaltete Lunge setzt dem Blutstrom einen großen Widerstand entgegen. Stattdessen wird das sauerstoffreiche Blut aus der Nabelschnur direkt durch den Körper des Kindes gepumpt. Ist der linke Ventrikel unterentwickelt, kann der rechte Ventrikel, der sich oft durch die zusätzliche Belastung verdickt, so bis zur Geburt die Funktion des linken Ventrikels übernehmen. Manchmal besteht bei Kindern mit dem HLHS auch ein „echter“ Atrium-Septum-Defekt (ASD), also ein „Loch“ in der Herzscheidewand zwischen den beiden Vorhöfen, das sich auch nach der Geburt nicht verschließt.

Das Hypoplastische Linksherzsyndrom betrifft etwa eines bis drei von 10.000 lebend geborenen Kindern. Jungen sind deutlich häufiger als Mädchen betroffen, genetische Syndrome wie das Turner-Syndrom oder das Down-Syndrom tragen zu etwa 10 Prozent aller Fälle bei.

Durch Fehlbildungen oder auch als Folge eines HLHS kann es im Laufe der Schwangerschaft zum vollständigen funktionellen Verlust einer Herzkammer kommen. Die Begriffe „univentrikuläres Herz“, „Einkammerherz“, „halbes Herz“ und „Fontanherz“ werden oft gleichbedeutend mit HLHS verwendet und bezeichnen den Zustand nach Vollendung der verschiedenen Operationsschritte, die im Folgenden noch näher beschrieben werden.
Auch kann es statt der Unterentwicklung der linken Herzkammer zur Unterentwicklung der rechten Herzkammer (HRHS) kommen. Der operative Ansatz ist allerdings in der Regel der gleiche wie bei HLHS.

 

Wie wird die Diagnose HLHS gestellt?

Die Diagnose des HLHS kann durch ein Herzecho, einen Ultraschall des Herzens, gestellt werden. Auch auf einem vorgeburtlichen Ultraschall kann das HLHS vermutet werden. Bei einem Verdacht sollte der behandelnde Frauenarzt eine Überweisung zum Feindiagnostik-Ultraschall stellen. Hier kann die Diagnose oft klar gestellt werden. Oft ist die Diagnose also vor der Geburt bekannt. Dadurch kann die Überlebenswahrscheinlichkeit und die Prognose deutlich verbessert werden, da die Versorgung des Babys nach der Geburt, durch die Entbindung in einer Klinik mit angeschlossenem Kinderherzzentrum, geplant und sichergestellt werden kann.
Blieb der Herzfehler in der Schwangerschaft unerkannt, können bestimmte Befunde bei der körperlichen Untersuchung des Neugeborenen, insb. beim Abhören des Herzens und im EKG, können ebenfalls Hinweise liefern. Neugeborene mit HLHS zeigen oft in den ersten Stunden nach der Geburt, wenn sich der Ductus arteriosus (eine Verbindung zwischen rechter und linker Seite des Herzens)zu schließen beginnt, einen Sauerstoffmangel (sie können blau anlaufen), einen niedrigen Blutdruck, und einen schwachen Puls. Am EKG kann man eventuell ablesen, dass der rechte Ventrikel im Vergleich zum linken Ventrikel verdickt ist.

 

Wie sieht eine Therapie bzw. Behandlung beim hypoplastisches Linksherzsyndrom aus?

Bei einem HLHS kann entweder eine dreistufige Operation erwogen werden, auf die Möglichkeit einer Herztransplantation gehofft werden oder es wird bewusst auf medizinische Interventionen verzichtet, die nicht rein der Schmerzlinderung dienen, was jedoch zum Tod des Säuglings in den ersten Lebenstagen führt. Jenach Ursache und wenn die Diagnose früh genug in der Schwangerschaft gestellt wird, kommt ggf. auch eine vorgeburtliche Operation des Fötus in Frage.

Entscheidet man sich für die dreistufige Operation, so wird angestrebt, dass der rechte Ventrikel nach den verschiedenen Eingriffen für möglichst lange Zeit den gesamten Körper des Kindes alleine versorgen kann.

Die erste Stufe, die Norwood-Procedure, wird bereits in den ersten zwei Wochen nach der Geburt vorgenommen. Hier wird, falls noch nicht vorhanden, eine Verbindung zwischen rechtem und linkem Vorhof des Herzens geschaffen. Das in der Lunge mit Sauerstoff gesättigte Blut kann so über den rechten Vorhof in den funktionstüchtigen, rechten Ventrikel gelangen. Daneben wird auch eine Verbindung des rechten Ventrikels zur Aorta geschaffen. So kann der rechte Ventrikel also den Körper des Kindes versorgen. Letztendlich verlaufen nach diesem Operationsschritt Lungenkreislauf und Körperkreislauf parallel durch den rechten Ventrikel. Durch diese Vermischung des sauerstoffreichen und -armen Blutes im Herzen liegt die Sauerstoffsättigung nach diesem OP-Schritt niedriger als bei herzgesunden Kindern.

Statt der Norwood-Procedure kann die sogenannte „Hybrid-Methode“ angewendet werden, bei der der Blutfluss in die Lunge mit Bändchen begrenzt wird und die vorgeburtlichen Verbindungen (Foramen Ovale und Ductus arteriosus) über Stents offengehalten werden. Diese Methode hält zunächst mehrere Optionen für die weitere operative Versorgung offen und kann dem Kind Zeit geben (z. B. bei einer Frühgeburt).

Zwei weitere Operationen schließen sich an, um den rechten Ventrikel in seiner Arbeit zu entlasten:

Im Alter von 4-6 Monaten wird das aus der oberen Körperhälfte zum Herzen zurückfließende Blut direkt in Richtung der Lungen geleitet, ohne dass es den rechten Ventrikel passiert. Letztlich wird die obere Hohlvene mit der Lungenarterie verbunden- technisch gesehen, sind der „bi-directional- Glenn“ und die „Hemifontan-Procedure“ zwei leicht unterschiedliche Möglichkeiten, dies zu erreichen. Nach diesem Eingriff ist eine deutlich verbesserte Herzfunktion und Sauerstoffsättigung zu erwarten.

Im dritten Schritt schließlich, der „Fontan-Procedure“, wird auch das Blut aus der unteren Hohlvene in die Pulmonalarterie geleitet. Somit durchströmt nun auch das aus der unteren Körperhälfte zurückkommende Blut passiv die Lungen, ohne, dass der rechte Ventrikel hierfür Pumpkraft aufwenden muss. Meist ist das Kind hierbei zwischen 2 und 5 Jahren alt.

 

Wie ist die Prognose bzw. Überlebenschance bei HLHS?

Vorangestellt sei, dass Prognosen zu HLHS, gerade im Netz, immer mit Vorsicht zu begegnen ist: Zum einen, weil die hier beschriebene palliative OP in drei Schritten erst seit ca. 40 Jahren angewandt wird und sich seitdem stetig verbessert hat. Zum zweiten, weil die konkrete Prognose von vielen individuellen Faktoren des Herzfehlers abhängt, die sich nicht so einfach vergleichen lassen. Zum dritten, weil die Zahl der Kinder mit HLHS so klein ist, dass sich in den Studien oft keine geeignete Anzahl an Patienten findet, die eine statistisch valide Aussage zulässt. Daher schwanken die Aussagen auch stark.

Die Medizin hat sich heute so weit entwickelt, dass ein signifikanter Teil der Kinder mit HLHS das Jugend- und Erwachsenenalter erreicht. So erreichten in einer amerikanischen Kohorte von 149 Kindern, bei denen die Fontan-Procedure erfolgreich durchgeführt worden war, 51% ohne Herztransplantation das 18. Lebensjahr (Outcomes of Patients With Hypoplastic Left Heart Syndrome Reaching Adulthood After Fontan Palliation | Circulation (ahajournals.org)). Die deutsche Herzstiftung nennt als Zahl für Kinder mit erfolgter Fontan-Procedure einen Prozentsatz von 60-80%, die das Erwachsenenalter erreicht.

Dabei bleibt das HLHS eine Diagnose, die in relativ hohem Maße mit vor allem körperlichen Einschränkungen und auch noch immer mit einer relativ hohen frühen Sterblichkeit vergesellschaftet ist. Das gilt insbesondere dann, wenn das HLHS in Verbindung mit genetischen Syndromen auftritt.

Die Möglichkeit, dass eine Herztransplantation im Laufe der Zeit notwendig wird, bleibt trotz erfolgreich verlaufener Eingriffe immer bestehen.

Es ist nur begrenzt sinnvoll, konkrete Lebenserwartungen angeben zu wollen, da die dreischrittige Operation nicht bei allen Kindern durchgeführt werden kann. Ein Teil der Kinder verstirbt in der Zeit zwischen den einzelnen Operationen. Andere Kinder dagegen sind von einer besser operativ korrigierbaren Ausprägung des HLHS betroffen und bringen auch ansonsten eine günstigere Konstellation von Risikofaktoren mit sich.

Weltweit besteht ein hohes Forschungsinteresse an Verbesserungen der Operationstechniken und der Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten, um die Prognose des HLHS so weit zu verbessern, wie dies irgend möglich ist.

 

Wo findet man weitere Informationen?

Gut verständliche Publikationen über HLHS, die Operationen und Folgen für das Leben der Patienten finden sich unter anderem bei der deutschen Herzstiftung (https://herzstiftung.de/system/files/2020-10/KH12-Fontanratgeber.pdf) sowie dem Bundesverband herzkranke Kinder e.V. (https://bvhk.de/produkt/hlhs-und-das-univentrikulaere-herz/).

Auf unserer Geschichtenseite finden Sie von Eltern verfasste Erfahrungsberichte zum Hypoplastischen Linksherzkomplex in verschiedenen Formen. Sie berichten von der Zeit vor der Geburt als auch vom Leben danach. Die dort gelisteten und viele weitere Familien stehen Ihnen im Rahmen unseres kostenfreien Patenprogramms als Begleiter zur Verfügung.

 

 

Quellen:

https://www.cdc.gov/ncbddd/heartdefects/hlhs.html#:~:text=Hypoplastic%20left%20heart%20syndrome%20(HLHS,heart%20does%20not%20form%20correctly.

Hypoplastic left heart syndrome: current modalities of treatment and outcomes – PMC (nih.gov)

Outcomes of Patients With Hypoplastic Left Heart Syndrome Reaching Adulthood After Fontan Palliation | Circulation (ahajournals.org)

 

Persönliche Geschichten:

(15) Jade Marie’s Story – A daughter with hypoplastic left heart syndrome – YouTube

(15) Episode 55: Living with Hypoplastic Left Heart Syndrome ft. Kasie Marek – YouTube

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