Spina Bifida (übersetzt „gespaltener Dornfortsatz“) oder umgangssprachlich „offener Rücken“ ist auch bekannt als Spina Bifida Aperta, Myelomeningocele und Myeloschisis. Sie ist eine angeborene Fehlbildung und eine häufige Ursache für körperliche Behinderungen. Die Erkrankung wird während der Schwangerschaft im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung festgestellt. Auch der Triple-Test kann die Spina Bifida Aperta anzeigen, er ist allerdings sehr ungenau und damit nicht verlässlich. Der offene Rücken tritt meist im unteren Bereich der Wirbelsäule auf. Die verdeckte Variante wird Spina Bifida Occulta genannt. Bei dieser Form treten in der Regel keine Beeinträchtigungen auf, oftmals bleibt sie sogar ein Leben lang unentdeckt.

Die Häufigkeit der Spina Bifida liegt bei einer von 1.000 Geburten in Mitteleuropa und kommt häufiger bei weiblichen Babys als bei männlichen vor.

Spina Bifida kann nicht nur nachgeburtlich, sondern inzwischen bereits vor der Geburt mit Mitteln der offenen oder minimal-invasiven Fetalchirurgie behandelt werden kann.

 

Was ist der offene Rücken „Spina Bifida“?

Es existieren im Wesentlichen vier Formen der Spina Bifida Aperta, die sich im Schweregrad und in der Ausprägung der Fehlbildung unterscheiden:

  1. Meningozele: Die leichteste Form der Spina Bifida. Der Name leitet sich von den Hirn- und Rückenmarkshäuten, den Meningen ab, welche durch den Wirbelspalt in Form einer Blase / Geschwulst (Zele) hervortreten. Sie umgeben weiterhin noch schützend das Rückenmark, so dass das Fruchtwasser dieses nicht angreifen kann. Die Meningozele wird erst nach der Geburt operativ verschlossen.
  2. Myelomeningozele: Wie bei der Meningozele bilden die Rückenmarkshäute am kindlichen Rücken über den unverschlossenen Wirbelbögen eine Blase. In dieser befinden sich die Nerven des Rückenmarks. Ein mehr oder weniger langer Abschnitt des Rückenmarks bildet zusammen mit den Rückenmarkshäuten die Oberfläche der Blase. Hier kann das freiliegende Nervengewebe durch Abrieb, Fruchtwasser und Stuhl besonders leicht angegriffen werden. Die Myelomeningozele ist die am häufigsten auftretende Form des offenen Rückens.
  3. Myeloschisis: Das Rückenmark ist vollkommen frei und ungeschützt, ohne eine umgebende Hautschicht. Somit können die Nerven durch das Fruchtwasser, Stuhl und physische Einflüsse besonders leicht angegriffen werden.
  4. Liegt das Rückenmark völlig frei, so spricht man von einer Myelozele.

Darüber hinaus gibt es weitere, noch seltenere Unterformen (Diastematomyelie, etc.).

 

Wie entsteht Spina Bifida und was sind die Ursachen?

Im Rahmen der Zellteilung spezialisieren sich Zellen und bilden sehr früh die Wirbelsäule des ungeborenen Kindes aus. Das Gehirn und das Rückenmark entwickeln sich aus dem Neuralrohr. Dieser Prozess ist in der Regel zwischen dem 22. und 28. Tag abgeschlossen. Im Falle einer Spina Bifida kommt es hierbei aufgrund von Erbgutstörungen, eines Folsäuremangels oder häufig auch aus noch unbekannten Gründen zu Problemen, so dass der Verschluss der Wirbelbögen unvollständig ist und ein Wirbelspalt übrigbleibt. Die Fehlbildung ist häufiger in den unteren Wirbelbereichen (Kreuzbein, Lende) festzustellen als an den oberen.

Warum dieser Defekt der Wirbelsäule auftritt, ist bislang unbekannt. Es können sowohl genetische / erbliche Faktoren als auch bestimmte Einflüsse der Außenwelt eine Rolle spielen.

Zur Reduzierung des Risikos von Spina Bifida wird Frauen empfohlen in Rücksprache mit ihrem Frauenarzt bereits mehrere Wochen vor und auch während der Schwangerschaft Folsäure (Vitamin B) zu sich zu nehmen, da der Bedarf meist nicht über die normale Nahrung abgedeckt ist. Eine spezielle Ernährung mit Folsäure-haltigen Lebensmitteln kann ebenfalls unterstützend wirken.

 

Welche Symptome können auftreten?

Die Symptome und Folgen einer Spina Bifida sind stark abhängig von der Höhe des Defektes am Rücken (segmentale Höhe) und dem Erfolg einer eventuell durchgeführten vorgeburtlichen Behandlung. Der freiliegende Teil des Rückenmarks wird im Laufe der Schwangerschaft meist zunehmend geschädigt. Je größer diese Schädigung ist, desto größer sind die Einschränkungen des Kindes.

Ebenso ist die Höhe des Spaltes der Wirbelsäule von großer Relevanz. Je höher der Spalt an der Wirbelsäule liegt (z.B. am Hals), desto ausgeprägter sind die Lähmungs- und Empfindungserscheinungen. In etwa der Hälfe der Fälle wird auch noch ein bis zwei Wirbel oberhalb des eigentlichen Spaltes gelegenes Rückenmark von der Schädigung betroffen.

Die Schädigung des Rückenmarkes hat Auswirkung auf folgende Fähigkeiten des Kindes:

  • Gehfähigkeit, d.h. die Möglichkeit eigenständig mit oder ohne Hilfsmittel (medizinischer Walker, Orthesen, Krücken etc.) gehen zu können („Fußgänger“) oder der Notwendigkeit eines Rollstuhles. Je nach Höhe der Fehlbildung kommt es hier zu keinen Einschränkungen der Gehfähigkeit durch Muskelschwäche oder Fußfehlstellungen bis hin zu einer Querschnittslähmung und dem Fehlen jeglicher Sensitivität.
  • Funktion des Darmes und der Blase, d. h der Fähigkeit selbstständig und kontrolliert Harn und Kot ablassen zu können, diesen kontrolliert rückzuhalten oder hierfür Hilfsmittel zu benötigen. Als Folge mangelnder Blasenentleerung kann es zu Harnwegsinfekten oder Nierenschädigungen kommen, wenn die Blase nicht manuell geleert wird.

Weiterhin ist der Hydrocephalus, umgangssprachlich „Wasserkopf“ genannt, eine regelmäßige Begleiterscheinung. Es handelt sich dabei um einen, durch eine erhöhte Menge von Hirnwasser verursachten, vergrößerten Kopfumfang. Ursachen des Hydrocephalus sind die Chiari-Typ II Malformation (Arnold-Chiari-Malformation, Verlagerung von Kleinhirn und Hirnstamm in Richtung Halswirbelsäule) oder ein verengter Ausflusstrakt (Aquäduktstenose). Unbehandelt kann der Hydrocephalus zu einer Drucksteigerung im Gehirn führen und dort weitere Schäden verursachen.

 

Wie wird der offener Rücken in der Schwangerschaft diagnostiziert?

Der offene Rücken wird während der Schwangerschaft zumeist im Rahmen eines vorgeburtlichen Ultraschalls festgestellt. Dabei handelt es sich um einen verkleinerten Kopf des Kindes, vergrößerte Hirnkammern sowie zweier typischen Darstellungsformen:

  • Lemon Sign ist eine Verformung des Kopfes des Kindes, der sich im Rahmen des Ultraschalls beim Blick des horizontalen Durchschnittes, d.h. das Blicks „von oben auf den Kopf“ zeigt. Im Ultraschall ähnelt die Kopfform einer Limone, da die Seiten des Kopfes leicht nach innen gedrückt sind.
  • Banana Sign wird ebenfalls im Rahmen der vorgeburtlichen Ultraschalluntersuchungen festgestellt. Dabei zeigt sich im horizontalen Querschnitt, dass das Kleinhirn eine Verformung hat. Diese ähnelt in seiner gebogenen Form einer Banane.

Spina Bifida wird aufgrund der Bekanntheit, Häufigkeit und der typischen Kopfzeichen (Lemon-/Banana-Signs der Erkrankung in der Regel von Frauenärzten verlässlich diagnostiziert. Wir empfehlen nach Diagnosestellung zeitnah ein Spezialzentrum für Spina Bifida aufzusuchen, um die weiteren Schritte zu besprechen und um eine umfangreiche Beratung über Therapieangebote zu erhalten.

Sollten Sie sich für eine Fortsetzung der Schwangerschaft entscheiden, so stehen sie vor der Wahl verschiedener vor- und nachgeburtlichen Behandlungsmethoden. Eine schon vorgeburtliche Behandlung ab Mitte der 20er Schwangerschaftswochen verbessert die Chancen die Schädigung des Rückenmarks sowie die Auswirkungen des Hydrocephalus gering zu halten.

Allerdings gehen die Eingriffe mit typischen Risiken einher, so dass sich der erwünschte Erfolg leider noch nicht in jedem Fall einstellt.

 

Wie sieht Therapie und Behandlung von Spina Bifida aus?

Zur Behandlung von Spina Bifida gibt es aktuell drei verschiedene Behandlungsmethoden:

  1. Ein vorgeburtlicher Eingriff mit minimal-invasiver Fetalchirurgie über kleine Schnitte im Bauch der Mutter, mit schonender Lösung des Rückenmarks und Verschluss des offenen Rückens mit einem einer Art Pflaster (Patch) zum Schutz des Rückenmarkes
  2. Verschluss des offenen Rückens mit einem Patch durch offene Fetalchirurgie, d.h. über eine kaiserschnittgroße Öffnung des Bauches und der Gebärmutter wird das Kind für die Behandlung offengelegt
  3. Nachgeburtlicher Verschluss der Spina Bifida Aperta

Bei einer erst nachgeburtlichen Behandlung der Spina Bifida erfolgt ihr Verschluss primär zum Schutz vor Infektionen sowie aus kosmetischen Gründen. Bis dahin verloren gegangene neurologische Funktionen können kaum oder nur sehr begrenzt zurückgewonnen werden.

Ziel der vorgeburtlichen Verfahren ist, einer weiteren Schädigung des Rückenmarkes Einhalt zu gebieten und hierdurch die Gehfähigkeit sowie die Funktion der Schließmuskeln und Motorik von Blase und Darm besser zu erhalten.

Nach der Geburt muss der gegebenenfalls noch offene Rückenbereich schnellstmöglich verschlossen werden. Teilweise entfällt dies, falls ein gutsitzender vorgeburtlich angelegter Patch vorhanden ist.

Nicht jede Behandlungsmethode ist für jedes von Spina Bifida betroffene Baby und jede Mutter möglich. Teilweise haben die einzelnen Operationsmethoden Aus- und Einschlusskriterien. Wir empfehlen, alle zur Wahl stehenden Therapien selbst zu bewerten, Vor- und Nachteile abzuwägen und danach eine Entscheidung zu treffen. Gerne erläutern unsere Paten im Rahmen unseres kostenfreien Patenprogramms ihre individuelle Entscheidung, weshalb Sie sich für oder gegen eine Option entschieden haben oder entscheiden mussten, ohne Sie dabei inhaltlich zu beeinflussen.

 

Ist Spina Bifida heilbar?

Die Diagnose Spina Bifida Aperta ist keine heilbare Erkrankung im klassischen Sinne. Ist das Baby von einer Myeloschisis oder Myelomingozele betroffen, so hängen die Schwere der Folgen von der Höhe des Wirbelspaltes, der Vorschädigung des Rückenmarks, den Kopfbefunden sowie dem Erfolg einer vorgeburtlichen oder erst nachgeburtlichen Behandlung ab.
Selten kann das Kind wie gesund erscheinen, d.h. ohne Vorliegen von Kopfveränderungen oder motorischen/sensorischen Einschränkungen sowie mit einer normalen Blasen- und Darmfunktion. Bei der Mehrheit, der von einer Spina bifida betroffenen Kinder, ist allerdings mit Symptomen zu rechnen. Meistens lassen sich diese heutzutage in den zahlreichen, über ganz Deutschland verteilten Spezialambulanzen gut behandeln. Die nachgeburtliche Unterstützung der Kinder bezieht sich auf die Vermeidung weiterer Schädigungen und die Verbesserung der Lebenssituation im Allgemeinen.

 

Wie sind die Überlebenschancen bei Spina Bifida?

Spina Bifida ist für die meisten ungeborenen Kind eine nicht mehr tödliche Erkrankung. Die Kinder haben in der Regel eine normale Lebenserwartung. Ein kleiner Teil der Kinder stirbt allerdings schon früh an den Folgen der begleitenden Gehirnfehlbildungen.

 

Haben Kinder mit Spina Bifida eine geistige Behinderung?

Viele Menschen setzen Symptome wie einen Wasserkopf, erhöhtes Hirnwasser oder Hirnentwicklungsstörung mit einer geistigen Behinderung gleich. Dies ist nicht korrekt, Babys und Kinder mit Spina Bifida haben in der Regel eine geistige Entwicklung im Normalbereich. Hierbei sind Kinder, die nach der Geburt keine Therapie ihres Hydrocephalus‘ benötigen besonders im Vorteil. Ein weiterer Grund für eine vorgeburtliche Therapie, da durch diese die Notwendigkeit einer nachgeburtlichen Hydrocephalus-Behandlung auf etwa die Hälfte reduziert werden kann.

 

Welche Erfahrungsberichte gibt es zu Spina Bifida?

Wie bei allen vorgeburtlichen Erkrankungen ist es wichtig, eine gute und interdisziplinäre Aufklärung durch ein spezialisiertes und anerkanntes nationales oder internationales Fachzentrum für Spina Bifida zu erhalten. Dies ist ebenfalls in der nachgeburtlichen Betreuung wichtig.

Die Erfahrungen unserer Mitglieder und der betreuten Familien zeigen, dass die Ausprägung und Folgen der Erkrankung Spina Bifida sehr verschieden sind. Teilweise haben die Kinder keinerlei Einschränkungen – weder in der Beinfunktion noch in Bezug auf Blase und Darm und auch keinen Hydrocephalus. Wieder andere Kinder haben diese Probleme in verschiedenen Ausprägungsstärken und erhalten entsprechende Unterstützung z.B. durch orthopädische Hilfsmittel und Physiotherapie.

Auf unserer Geschichtenseite finden Sie von Eltern verfasste Erfahrungsberichte zu Spina Bifida in verschiedenen Formen und Schädigungshöhen. Sie berichten von der Zeit vor der Geburt als auch vom Leben danach. Sowohl Kinder, die minimal-invasiv operiert wurden, als auch Familien mit offen-operierten Kindern können über ihre Erfahrungen berichten. Die dort gelisteten und viele weitere Familien stehen Ihnen im Rahmen unseres kostenfreien Patenprogramms als Begleiter zur Verfügung.

Sie brauchen Hilfe? Wir sind für Sie da!

Unsere Paten sind Familien, die in der selben Situation waren wie Sie. Die Paten stehen Ihnen für einen Austausch über das jeweilige Krankheitsbild, über Erfahrungen vor und nach der Geburt sowie ihre persönlichen Entscheidungswege zur Verfügung. Somit können Sie besser den idealen Weg für Ihre eigene Familie finden.