Alina hat im Laufe der pränatalen Untersuchungen folgende Diagnose erhalten: Spina Bifida aperta L1-L4/5, Ventrikulomegalie (später Hydrocephalus), Arnold-Chiari-Malformation Typ II

Alinas Geschichte

Die Schwangerschaft begann unkompliziert. Außer der typischen Morgenübelkeit, mit der ich mich plagte, wuchs Alina prächtig heran, jede Untersuchung und jeder Test war unauffällig und wir freuten uns unglaublich auf unser Mädchen. Aufgrund meines Alters (über 35) durften wir das große Zweittrimesterscreening direkt bei einem Pränataldiagnostiker machen lassen. Wir fieberten diesem Termin entgegen, denn wir wussten, dass wir dort diese tollen 3D-Bilder bekamen und unser Mädchen lange bewundern werden durften.

Es war der 28.02.2020. Ein Tag, der wunderschön werden sollte, wurde zum schlimmsten Tag unseres bisherigen Lebens. Die Ärztin, die den Ultraschall vornahm, begann die Untersuchung und schallte. Zwischendurch fragte ich, um sicherzugehen, ob wir 3D-Bilder bekämen. Darauf bekam ich keine richtige Antwort. Das war der Zeitpunkt, an dem mir klar wurde, dass etwas nicht stimmte. Sie schallte sehr lange das Köpfchen und war sehr still dabei. Auch die Wirbelsäule hatte ihre Aufmerksamkeit. Irgendwann sah sie meinen Mann und mich mit ernster Miene an, und erklärte uns, dass sie Auffälligkeiten entdeckt hätte. Sie gehe von einem ausgeprägten Befund aus. Es handle sich um eine Spina Bifida. Begriffe, den Kopf betreffend wie „lemon sign“ und „banana sign“, fielen. Sie holte noch einen zweiten Arzt, der uns ignorierte, zur Zweitmeinung, der das dann auch bestätigte. Im Anschluss wurde uns erklärt, was unsere Tochter genau hat und welche Möglichkeiten wir haben. Die aufgezählten Auswirkungen reichten von Querschnittslähmung, geistiger Retardierung in ungewissem Ausmaß bis zu Blasen- und Darmentleerungsstörungen. ABER: Wir hätten trotz der fortgeschrittenen Schwangerschaft noch die Möglichkeit, diese zu beenden. Unsere Welt brach zusammen! Wir sollten direkt am Montag (der Termin selbst war an einem Freitag) zur Zweitbefundung ins Krankenhaus. Mein Mann googelte, während ich weinte und er war es, der die Ärztin auf die Möglichkeit der pränatalen OP ansprach. Eine Möglichkeit, die sie als experimentell abtat.

Vor uns stand ein langes Wochenende, das wir bis zum Termin am Montag überbrücken mussten. Und wir taten, was man nicht tun soll: wir googelten. Entgegen der landläufigen Meinung schöpften wir daraus Energie. Wir suchten nach Erfahrungsberichten und fanden auch positive Geschichten. Eines stand für uns fest: Wir wollten sie pränatal intrauterin operieren lassen.

Am Montag waren wir acht lange Stunden im Krankenhaus. Die Zweitbefundung ergab die gleichen Diagnosen und die Erklärungen waren ähnlich niederschmetternd. Dennoch gab es einen gravierenden Unterschied: Es sah so aus, als wäre eine OP grundsätzlich möglich. Hierfür müssten wir aber nach Gießen, denn die OP wird nur an wenigen Orten durchgeführt. Nach einer Amniozentese, um genetische Defekte auszuschließen, und dem Kontakt nach Gießen, wurden wir nach Hause geschickt.

Eine Woche später fanden wir uns in Gießen wieder. Hier wurde ein MRT gemacht und im Anschluss ein ausführlicher Ultraschall, in dem Alina auch ihre Beinbeweglichkeit zeigte. Nach allen Untersuchungen hatten wir grünes Licht für eine hybride OP. Sprich, es wird eine Art Kaiserschnitt gemacht und dann endoskopisch der Rücken des Babys operiert. In den folgenden Tagen sollte alles geplant werden und die OP dann in den nächsten 2 Wochen stattfinden. ENDLICH! Leicht beschwingt machten wir uns auf den Rückweg nach Bayern und warteten gespannt, dass es los ging.

Und dann kam etwas, mit dem man nicht rechnen konnte: Corona!

Die Ärzte in Gießen brauchten zur Durchführung noch Ärzte aus Barcelona, da die Fallzahlen noch zu gering waren, als dass sie allein hätten operieren dürfen. Wir erinnern uns sicher alle an geschlossene Grenzen und Reisebeschränkungen im Frühjahr 2020! So auch für die spanischen Ärzte, die nicht mehr einfliegen durften. Unsere Hoffnung zerplatzte! Glücklicherweise hatte die uns betreuende Ärztin Kontakte nach Belgien und überwies uns an den dortigen Professor.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wir packten unsere Sachen, buchten einen Flug und siedelten kurzzeitig nach Leuven aus. Auch hier gab es wieder viele Untersuchungen, die aber am Ende Gießen und München bestätigten und die OP wurde für den 24.03.2020 (SSW 25+6) geplant. Am Vorabend wurde ich im Krankenhaus aufgenommen und direkt am Dienstagmorgen operiert. Die OP dauerte gut fünf Stunden. Wir wurden offen statt hybrid operiert, auch bei dieser Methode wird eine Art Kaiserschnitt (nur größer) gemacht und danach die Gebärmutter eröffnet. Alina wurde dann mit dem Popo nach oben gedreht, so dass ihr Rücken verschlossen werden konnte, was auch gut gelang. Man nennt die Kinder, die so operiert werden auch „twice born“, weil sie ja schon einmal auf der Welt waren. Wir feiern daher nun am 24.03. ihren „Popo-Tag“, eine Art zweiten Geburtstag im Jahr.

Nach der OP musste ich eine Woche im Krankenhaus bleiben. Es ging mir recht gut danach und ich verbrachte 7 Tage großteils liegend mit Seriengucken, CTGs, Ultraschall und MRT. Mein Mann ist am Tag nach der OP zurück nach Deutschland gereist, weil er arbeiten musste und hat mich dann am Dienstag darauf wieder abgeholt, um die 11 Stunden Zugfahrt mit mir zu bestreiten.

Die Wochen darauf waren anstrengend, aber auszuhalten. Neben den normalen Frauenarztterminen war ich mindestens einmal wöchentlich in der Klinik unserer Stadt zur Feindiagnostik. Hier wurde unsere Tochter vermessen, das Fruchtwasser kontrolliert und überprüft, wie die Beinbewegung war. Das Kleinhirn wanderte im Verlauf weiter an seine regelrechte Position, was sehr positiv war. Leider waren kaum mehr Beinbewegungen darstellbar. Der Kaiserschnitt wurde für SSW 37+1 festgelegt.

In SSW 35+6 stellte sich bei der wöchentlichen Kontrolle heraus, dass ich kein Fruchtwasser mehr hatte. Ich hatte den vorzeitigen Blasensprung nicht bemerkt, da das Fruchtwasser über die OP-Narbe ausgedrungen war und sich im Bauchraum verteilte. So kam Alina etwas früher als geplant auf die Welt und begeisterte noch im Kreissaal das gesamte Ärzteteam, weil sie strampelte und quickfidel alles machte, was ein Baby so machen soll. Direkt im Anschluss wurde ihre Narbe am Rücken überprüft, die bereits verschlossen und verheilt war. Sie wurde dennoch seitlich gelagert und die ersten Wochen verbrachten wir mit vielen Untersuchungen im Krankenhaus

alina mit spina bifida schreit vor freude

Heute ist Alina 16 Monate alt und seit Neuestem stolzes Krippenkind. Sie ist ein Sonnenschein und begeistert alle um sie herum. Wir führen ein weitestgehend normales Leben, fahren in Urlaub, unternehmen viel und genießen unser Familienleben. Dennoch unterscheidet sich unser Alltag mal mehr, mal weniger von anderen Eltern. Mit 8 Wochen bekam sie ihren Shunt, weil der Hydrocephalus sich nicht selbst regulierte. Seit sie drei Wochen alt ist, fahren wir 1-2mal die Woche zur Physiotherapie und turnen zweimal täglich nach Vojta, um ihre Motorik zu unterstützen. Prophylaktisch katheterisieren wir sie einmal wöchentlich. Dazu kommen die turnusmäßigen Kontrollen des Hydrocephalus, die Orthopädiesprechstunde, Urodynamik und die ganzheitlichen Untersuchungen im SPZ. Kürzlich mussten wir stationär eine Zyste im Kopf fenstern lassen, welche unter Umständen die Ursache für den Hydrocephalus war.

Stand heute ist ihre Entwicklung für uns ein Wunder. Von dem was man heute beurteilen kann, ist sie geistig komplett normal entwickelt, spricht die ersten Worte, bewegt ihre Beine bis in die Zehen, robbt in einem Affenzahn und liebt es zu stehen. Selbst hinstellen kann sie sich noch nicht, aber seit ein paar Wochen hat sie kleine Orthesen, mit denen sie grobmotorisch große Fortschritte macht.

Es ist nicht immer einfach und sicherlich auch sehr anstrengend in Teilen, aber wir sind jeden Tag überglücklich, dass unser Mäuschen bei uns ist.

Die Eltern sind Teil des Patenprogramms des BFVEK e.V. und freuen sich über Ihre Kontaktaufnahme mit unserem Online-Formular.

Sie brauchen Hilfe? Wir sind für Sie da!

Unsere Paten sind Familien, die in der selben Situation waren wie Sie. Die Paten stehen Ihnen für einen Austausch über das jeweilige Krankheitsbild, über Erfahrungen vor und nach der Geburt sowie ihre persönlichen Entscheidungswege zur Verfügung. Somit können Sie besser den idealen Weg für Ihre eigene Familie finden.