Die Geschichte von Schatz

Schatz hat im Laufe einer pränatalen Untersuchung folgende Diagnose erhalten: Multizystisch dysplastische Niere

„Herzlichen Glückwunsch, Sie bekommen ein gesundes Kind!“

Dieser Satz einer Ärztin nach einer pränataldiagnostischen Untersuchung in der 13. SSW erleichterte uns sehr. Nach der Geburt unserer zweijährigen Tochter wünschten wir uns für sie ein Geschwisterchen und im Herbst 2016 kündigte sich unser Schatz an. Doch die ersten Wochen der Schwangerschaft waren geprägt von Sorgen, denn immer wieder hatte ich leichte Blutungen. Hinzu kam auch noch ein Sturz in der 11. SSW. Nach zwei Fehlgeburten war die Angst groß, auch dieses Kind zu verlieren. Bei den ersten Untersuchungen zu Beginn der Schwangerschaft waren weder Embryo noch Herzschlag zu erkennen. Doch irgendwann konnte man ihr Herz schlagen sehen und hören. Mit Beginn der 13. SSW hörten die Blutungen auf. Nach der Gratulation der Ärztin konnte ich die Schwangerschaft endlich richtig genießen.

Im März 2017 war ich zur Routinekontrolle bei meiner Frauenärztin. Vielleicht konnte man jetzt erkennen, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Normalerweise erklärte meine Ärztin immer alles sehr genau. Doch plötzlich sagte sie nichts mehr, schaute nur noch auf den Bildschirm des Ultraschallgeräts und betrachtete immer wieder eine Stelle. „Ich habe zuerst gedacht, es handle sich um einen Nierenstau, doch in der linken Niere Ihres Kindes haben sich Zysten gebildet.“ Meine erste Reaktion war: „Zysten gehen doch wieder weg“. Doch das ist bei dieser Krankheit nicht der Fall. Die Zysten haben sich statt Parenchymgewebe gebildet. Meine Ärztin überwies mich in die Universitätsklinik nach Gießen zu dem Pränataldiagnostiker Prof. Dr. Axt-Fliedner. Als ich dort anrief und den Verdacht meiner Frauenärztin schilderte, bekam ich sofort am nächsten Tag einen Termin. Wir hatten noch nie von einer solchen Krankheit gehört – polyzystische Nierenerkrankung – und wollten uns im Internet einen Überblick über diese Krankheit verschaffen.

„Nicht lebensfähig“ war das erste Schlagwort, das wir wahrnahmen und was uns nicht mehr losließ.

Verzweifelt fuhren wir am nächsten Morgen nach Gießen. Prof. Dr. Axt-Fliedner bestätigte den Verdacht der Ärztin: multizystisch dysplastische Niere links. Die rechte Niere sah normal aus und auch die Fruchtwassermenge war unauffällig, was darauf schließen ließ, dass die unauffällige Niere unseres Kindes funktionierte. Sofort wurde ein Kinderarzt gerufen, der uns erklärte, was es bedeutet, mit nur einer funktionierenden Niere zu leben. Es gibt auch eine erbliche Form der polyzystischen Nierenerkrankungen. Da uns aus dem familiären Umfeld allerdings keine derartige Erkrankung bekannt war, ging der Pränataldiagnostiker davon aus, dass es sich um eine Fehlanlage in der Embryonalentwicklung handle. Auf einen diesbezüglichen Test wurde verzichtet, um das Baby und mich keinen unnötigen Gefährdungen während der Schwangerschaft auszusetzen, da das Ergebnis für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft nicht relevant war.

Alle zwei Wochen wurde die Fruchtwassermenge kontrolliert. Fruchtwasser wird über die Nieren des Kindes gebildet. Die Menge war stets in Ordnung. Alle vier Wochen fuhren wir nach Gießen zur Pränataldiagnostik. Bei den Ultraschalluntersuchungen war der Bauchumfang unseres Babys stets „zu groß“. Die zystische Niere war stark vergrößert. Dennoch war ein geplanter Kaiserschnitt nicht nötig. Aufgrund der berechneten Größe des Kindes sollte jedoch am 15. Juli die Geburt eingeleitet werden. Doch am Abend vorher begannen die Wehen und am 15. Juli 2017 erblickte unser Schatz das Licht der Welt. Sie atmete unauffällig und auch die Urinproduktion war in Ordnung, so dass sie nicht intensivmedizinisch betreut werden musste, sondern bei uns im Familienzimmer sein konnte.

Am 17. Juli stand die U2 an, doch hier zeigten sich auffällige Herztöne. Wir mussten in die Kinderkardiologie zum Ultraschall. Bei unserem Schatz waren einige kleine Löcher im Herzen zu erkennen, die zwar nicht relevant für die Herzleistung waren, aber dennoch beobachtet werden mussten. Trotzdem konnten wir nach Hause. Des Weiteren stand die Nieren- und Hüftsonographie an, die bei jedem Neugeborenen bei der U2 durchgeführt wird. Zu uns kam eine junge Ärztin, die sichtlich aufgeregt war, als sie von der Diagnose aus der Schwangerschaft erfuhr. Hinzu kam, dass wir familiär vorbelastet sind mit der Diagnose Hüftdysplasie. Sie führte den Ultraschall durch und bestätigte die Diagnose der multizystischen Niere. Nach Rücksprache mit dem Oberarzt überwies sie uns an die Kollegen des Universitätsklinikums in Marburg, wo eine kindernephrologische Abteilung angesiedelt ist. Des Weiteren hatte die Ärztin den Verdacht, dass unser Schatz auch eine Hüftdysplasie habe. Ich habe Kinder in unserer Familie gesehen, die mehrfach an der Hüfte operiert worden sind und immer wieder laufen lernen mussten. Das alles sollte unserem Kind jetzt auch bevor stehen, zusätzlich zu den Schädigungen der Niere und des Herzens?!

Unsere niedergelassene Kinderärztin empfahl uns, direkt einen Kinderorthopäden aufzusuchen. Daher machten wir am Uniklinikum in Marburg sowohl einen Termin bei den Nephrologen als auch bei den Orthopäden aus. Beide Termine bekamen wir sehr schnell. Der Kinderorthopäde schaute sich unseren Schatz an und sagte schon gleich, dass die Hüftstellung sehr gut aussähe. Der Ultraschall zeigte keinerlei Auffälligkeiten, die Verdachtsdiagnose bestätigte sich nicht.

In der Nephrologie erklärte man uns, dass davon auszugehen ist, dass die rechte Niere die Funktion der geschädigten Niere übernimmt, da die Nierenwerte bisher stets unauffällig waren. In regelmäßigen Abständen müssen wir zur Kontrolle in die Nephrologie. Eine genetische Untersuchung hat ergeben, dass es sich bei unserer Tochter um keine erbliche Form der polyzystischen Nierenerkrankung handelt, wie es auch vom Pränataldiagnostiker vermutet worden war.

Mittlerweile ist unser Schatz fast drei Jahre alt. Sie ist ein fröhliches und ausgeglichenes Kind, das nur selten jammert. Sie hat ihren eigenen Kopf, den sie durchzusetzen versucht. Doch vielleicht hat ihr gerade ihr starker Wille geholfen, ihren nicht ganz einfachen Start ins Leben so gut zu meistern. Sie entwickelt sich vollkommen altersgerecht und geht seit einigen Monaten in die Kindertagesstätte. Dort gefällt es ihr gut und sie spielt gerne mit anderen Kindern, allem voran natürlich mit ihrer großen Schwester. Unser Schatz schaut sich gerne Bücher an, ist oft im Freien unterwegs und ist im Wasser in ihrem Element. Sie ist wagemutig und versucht, ihrer großen Schwester nachzueifern.

Unser Schatz hat keine Einschränkungen aufgrund ihrer Erkrankung. Bei Fieber muss stets der Urin untersucht werden, um einen Harnwegsinfekt möglichst frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Außerdem achten wir auf ihre Trinkmenge und sie darf nicht jedes Medikament einnehmen. Wir müssen in regelmäßigen Abständen zur Kontrolle in die Kindernephrologie nach Marburg und in die Kinderkardiologie nach Gießen. Es kann sein, dass die Zysten in der Niere irgendwann zusammenfallen und diese Niere sich zurückbildet. Bisher sind die Zysten noch recht groß und die Niere ist daher auch größer als eine normal entwickelte, doch sie stören nicht, so dass man nicht – wie es früher üblich war – die Niere entfernt. Die Löcher im Herzen sind kleiner geworden und kaum noch zu erkennen. Es gibt keine Einschränkungen, die daraus resultieren würden. Einen Satz, den eine Nephrologin zu uns gesagt hat, haben wir uns sehr zu Herzen genommen: „Sehen Sie Ihr Kind nicht als krank an. Sie hat eine organische Auffälligkeit, die wir beobachten.“

Als Christen hat uns der Bibelvers „Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleib. Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin, wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele“ sehr viel Kraft während der Schwangerschaft und den ersten Wochen mit den zahlreichen Diagnosen gegeben.

Wir sind jeden Tag, jede Stunde und jede Sekunde dankbar für unsere beiden Töchter. Auch wenn unsere jüngste nicht medizinisch perfekt ist, so ist sie es doch für uns.

Die Eltern sind Teil des Patenprogramms des BFVEK e.V. und freuen sich über Ihre Kontaktanfragen mit unserem Online-Formular.

Sie brauchen Hilfe? Wir sind für Sie da!

Unsere Paten sind Familien, die in der selben Situation waren wie Sie. Die Paten stehen Ihnen für einen Austausch über das jeweilige Krankheitsbild, über Erfahrungen vor und nach der Geburt sowie ihre persönlichen Entscheidungswege zur Verfügung. Somit können Sie besser den idealen Weg für Ihre eigene Familie finden.