Marvin hat im Rahmen pränataler Untersuchungen die Diagnosen CHAO-Syndrom / fetales Chaos / Congenital High Airway Obstruction Syndrome,  Larynxstenose / Larynxatresie, Aszites, Hydrops Fetalis erhalten.

Unser kleiner Sonnenschein wurde in der 32. Schwangerschaftswoche mit der Diagnose CHAOS-Syndrom (Congenital High Airway Obstruction Syndrome) – geboren. Dies bedeutet, dass ein Teil der Luftröhre komplett verschlossen war. Dass Marvin es überhaupt lebend auf die Welt geschafft hat, ist für uns schon ein großes Wunder…

Wie alles begann…
In der 20. Schwangerschaftswoche sollte der große Organultraschall stattfinden. Die Frauenärztin begann mit ihren Untersuchungen und ich ahnte nicht, dass dieser Tag mein und unser Leben komplett aus den Fugen heben würde. Völlig unerwartet eröffnete mir die Frauenärztin, dass mit unserem Kind etwas nicht stimmen würde. Es wären überall im Körper des Babys große Wasseransammlungen im Körper (Hydrops Fetalis) und im Bauch (Aszites) zu sehen. Sie beendete die Untersuchung mit den Worten, dass wir uns schnellstmöglich Gedanken über eine Abtreibung machen müssten, da wir so ein schwerstbehindertes Kind unserem großen Sohn, der zum damaligen Zeitpunkt vier Jahre alt war, nicht antun könnten. Der Schock war überwältigend. Sie überwies mich in eine nahegelegene Klinik zur weiteren Abklärung. Tränenaufgelöst verließ ich die Praxis und informierte meinen Mann und meine Arbeitsstelle, die ich kurz vorher für eine gedachte kleine Unterbrechung wegen der Untersuchung verlassen hatte. Dass ich an meinen Arbeitsplatz für sehr lange Zeit nicht zurückkehren würde, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht im Entferntesten bewusst.

Nachdem ich mich einigermaßen wieder gefasst hatte, fuhr ich zur Klinik und traf mich dort mit meinem Mann. Noch ganz von den Aussagen der Frauenärztin gelähmt, erfuhren wir den nächsten Tiefschlag. Die Frauenärztin in der Klinik stellte nach der Untersuchung klar, dass sie zwar nicht wüsste, was unserem Kind fehlen würde, dass wir es aber vergessen könnten. Was das bei uns auslöste, ist nicht in Worte zu fassen. Mit unbeschreiblichen Gefühlen fuhren wir nach Hause und versuchten sofort über das Internet Informationen zu erhalten.

Wir fanden nichts.

Allerdings stieß ich auf die Klinik in Gießen (heute: Mannheim) und damit auf Prof. Dr. Kohl. Ein Krankheitsbild, das Prof. Dr. Kohl beschrieb, schien auf unseren Fall hinzuweisen, auch wenn es sich im Nachhinein als nicht zutreffend herausstellte. Ich bat die Frauenärztin der Klinik uns nach Gießen zu überweisen. Sie machte uns aber klar, dass das nur mit dem Ergebnis einer Fruchtwasseruntersuchung möglich wäre. Auf Nachfrage, wie die Risiken bei dieser Untersuchung wären, meinte sie, dass es höchstens sein könnte, dass sie unser Kind mit der Nadel treffen würde. Dann ginge es einfach schneller, was ja in dem Fall eh nicht schlimm wäre, da unser Kind ja sowieso keine Überlebenschance hätte. Der Boden unter uns tat sich auf und wir verließen fassungslos die Klinik.

Völlig aufgewühlt setzte ich mich an den PC und schrieb Prof. Kohl an, ob das denn wirklich sein könnte, dass wir nicht in die Klinik nach Gießen kommen könnten, ohne dass wir eine Fruchtwasseruntersuchung nachweisen würden.

In kürzester Zeit bekam ich einen Anruf von Prof. Dr. Kohl und nach meinen Beschreibungen über den Zustand unseres Babys, bekam ich noch am Telefon die Diagnose: CHAOS. Wir sollten sofort in die Klinik kommen. Die Untersuchung dort bestätigte die Diagnose. Aufgrund der Ausmaße der Wasseransammlungen im Körper (Hydrops Fetalis, Aszites), der immens großen Lungen und des Herzchens, das dem Druck der Wasseransammlungen nicht standhalten würde, gab es allerdings keine Hoffnung für unser Kind.

Nach zwei bangen Wochen setzte ich mich noch viele Stunden an den PC, um vielleicht doch noch einen Hoffnungsschimmer zu finden.

Und da fand ich ihn – den kleinen Funken Hoffnung.

Amerikanische Studien berichteten über ein paar wenige überlebende Kinder mit dieser Diagnose. Es wurde beschrieben, welche Ärzte und Tätigkeiten notwendig wären, um zu versuchen, Kindern ein Überleben zu ermöglichen.

Mit diesem kleinen Funken Hoffnung begann ich die bei uns in der Nähe liegenden Unikliniken Mannheim und Heidelberg anzuschreiben. Auch von diesen Kliniken bekam ich sofort das Angebot von Hilfe. Da es sich hauptsächlich um ein Lungenproblem handelte, entschieden wir uns letztendlich für die Uniklinik Mannheim. Prof. Dr. Schaible, der sich damals unser annahm, gab Marvin beim ersten Kennenlernen und nachdem ein MRT die verschlossene Stelle des Kehlkopfes (Larynxstenose / Larynxatresie) offenbart hatte, eine 50:50 Chance, dass er die 32. Schwangerschaftswoche schaffen würde und dann nochmal eine 50:50 Chance, es auf die Intensivstation zu schaffen.

Das war damals für uns so unglaublich, endlich von einer möglichen Überlebenschance für Marvin trotz des CHAOS-Syndroms zu hören. Mit viel Schonung und langen Liegezeiten, vielen Medikamenten und schließlich auch einer Fruchtwasserpunktur, bei der einiges an Fruchtwasser abgezogen wurde, da es nicht mehr anders ging, platzte am Ende der 31. Schwangerschaftswoche die Fruchtblase. Am Anfang der 32. Schwangerschaftswoche – 31+2 – wurde Marvin in einer unglaublich gut organisierten EXIT-Procedure (auch bekannt als Exit-Manöver / Exit-Strategie oder Exit-Sectio), bei der Marvin noch an der Nabelschnur tracheotomiert wurde, mit Hilfe von rund 20 großartigen Ärzten unter Federführung von Prof. Dr. Schaible (Neonatologie), Prof. Dr. Maurer (HNO) und Prof. Dr. Sütterlin (Gynäkologie) auf die Welt geholt. Marvin kam mit 2.690 g und 40 cm Körpergröße auf die Welt. Rund 1,2 Liter Flüssigkeit wurde ihm in den folgenden Tagen aus seinem Körper abgelassen. Das eigentlich geschätzte Geburtsgewicht lag bei 1.500 g.

Marvin blieb für vier Monate und vier Tage auf der Intensivstation und wurde dort von einem hervorragenden Ärzte- und Schwesternteam, unter anderem auch vom Beatmungsspezialisten Dr. Demirakca (Neonatologie), betreut.

Anfangs sah es nicht gut aus, da die Zwerchfelle komplett verkehrt standen und die Lungen nicht so aussahen, wie es normal wäre. Es stand im Raum, dass Marvin vielleicht sein Leben lang beatmet werden müsste. Zum Glück zeigte sich durch den Einsatz eines neu auf den Markt gekommenen Beatmungsgerätes, dass Marvin auch selbst atmen konnte. Mit immer weiter reduzierten Beatmungseinheiten war Marvin nach etwa 10 Monaten komplett von der Beatmung weg, was eine tolle Erleichterung für unsere Familie bedeutete.

Wir wurden von der Uniklinik Mannheim nachfolgend an den Spezialisten für Rekonstruktionen, Prof. Dr. Sittel (HNO), ins Olgahospital nach Stuttgart überwiesen. Prof. Dr. Sittel öffnete den Verschluss in der Luftröhre und setzte ihm zwei körpereigene Rippenknorpel ein. Durch diesen grandiosen Eingriff erhielt Marvin nach über drei Jahren endlich eine Stimme, erst noch ganz zart, doch dann in relativ kurzer Zeit, mit Hilfe einer sehr guten Logopädin und einem Therapiezentrum, mit einem unglaublich großen Wortschatz. Die Wörter waren also alle im Kopf gespeichert, aber auch gefangen. Seit dieser Zeit sprudelt es aus Marvin heraus, auch wenn immer noch recht leise. Es ist aber einfach nur wunderbar und natürlich hoffen wir, dass Marvin irgendwann auch seine Kanüle losbekommen kann.

Bis dahin genießen wir einfach das, was wir haben und sind einfach nur unglaublich froh und dankbar, dass wir so viel Hilfe von diesen großartigen Ärzten, Intensivkrankenschwestern und allen anderen, die uns in irgendeiner Art und Weise unterstützt haben, erfahren konnten.

Die Erfahrungen mit verschiedenen Pflegediensten, die uns zu Hause unterstützt haben oder vielmehr unterstützen sollten, sind ein eigenes Kapitel und würden den Rahmen sprengen. Zu sagen ist, es gibt leider auch einige schwarze Schafe bei den Kinderpflegediensten. Es gab ein paar sehr gute Krankenschwestern, viele waren allerdings in keinster Weise für so ein schwer krankes Kind ausgebildet. Zum Glück haben wir jetzt einen sehr guten Pflegedienst gefunden, der Marvin in den Kindergarten begleitet, in dem Marvin voller Freude ist. Ja und dieses Jahr – im Sommer 2021 – geht es mit sieben Jahren in die Schule – unfassbar und unheimlich beglückend für uns alle.

Zu sagen bleibt noch, dass Marvin für seinen großen Bruder eine große Bereicherung und mit Sicherheit keine Belastung ist. Die beiden lieben sich über alles und streiten sich auch mal, so wie es bei Geschwistern eben ist.

Manche Kinder kämpfen sich trotz schlechter Prognosen mit unglaublichem Lebenswillen und Kraft ins Leben, andere Kinder machen sich auf den Weg zu den Sternen. So schwer dies für uns sein mag, die Kinder entscheiden über ihren Weg.

Mittlerweile sind noch zwei weitere Kinder, Amalia und Karl, in der Mannheimer Uniklinik ebefalls mit der Diagnose CHAO-Sydrom lebend auf die Welt gekommen. Wir hoffen alle sehr, dass es noch weitere Kinder schaffen werden.

Marvin mit CHAO Syndrom am Strand

Marvins Eltern sind Teil des Patenprogramms des BFVEK e.V. und freuen sich über Ihre Kontaktanfragen mit unserem Online-Formular.

Sie brauchen Hilfe? Wir sind für Sie da!

Unsere Paten sind Familien, die in der selben Situation waren wie Sie. Die Paten stehen Ihnen für einen Austausch über das jeweilige Krankheitsbild, über Erfahrungen vor und nach der Geburt sowie ihre persönlichen Entscheidungswege zur Verfügung. Somit können Sie besser den idealen Weg für Ihre eigene Familie finden.