Rosa hat im Laufe der pränatalen Untersuchungen die Diagnose Spina Bifida erhalten

Am 10.11.2004 hatten wir in der 22. SSW einen Termin zum Frühscreening beim Pränataldiagnostiker und freuten uns auf tolle Bilder. Zunächst verlief alles normal. Erst am Ende der Untersuchung wurde der Arzt seltsam ruhig.

Der Arzt teilte uns mit, dass er eine Spina Bifida, zu deutsch einen offenen Rücken, bei unserem Kind entdeckt hat. Nachdem wir zunächst völlig unter Schock standen, klärte er uns weiter auf und verwies uns auf eine weitere Untersuchung, damit der Befund eindeutig bestätigt werden könnte und die Ärzte den Grad der Schädigung und eventuell weitere 

Schädigungen unseres Kindes feststellen könnten. Wir machten uns auf Empfehlung vom Arzt danach gleich auf den Weg in die Uniklinik nach Bonn, da diese nicht so weit von unserem Heimatort entfernt lag. Dort angekommen wurden wir von Dr. Gembruch untersucht. Die Diagnose bestätigte sich: eine offene Stelle des Rückens im Bereich LWK 4 abwärts, leichtes lemon-sign und leicht erweiterte Ventrikel. Wir wurden relativ emotionslos über die Möglichkeiten informiert: Sie können das Kind behalten, dann wird es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit im Rollstuhl sitzen, inkontinent sein und einen Shunt benötigen. Natürlich gäbe es dann noch die 


Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs. Mehr nebenbei wurde erwähnt, dass es an der Uniklinik auch einen Arzt gibt, der in einem experimentellen Verfahren und unter bestimmten Voraussetzungen die Kinder bereits im Mutterleib operiert. Wir standen unter Schock und fuhren zunächst nach Hause. Nicht zuletzt hatten wir alle möglichen Vorsorgeuntersuchungen machen lassen, um mögliche Behinderungen unseres Wunschkindes auszuschließen. Ein behindertes Kind zur Welt bringen, konnten wir uns bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich überhaupt nicht vorstellen. Plötzlich mussten wir eine Entscheidung für oder gegen unser 

Kind treffen, um dann mit dieser Entscheidung und all den nicht zu ahnenden Konsequenzen für immer zu leben. Wir informierten uns wie eben nur möglich, um uns später keinen Vorwurf zu machen, dass wir nicht alles versucht und unternommen haben. In dieser ohnehin schweren Zeit erschien uns die Informationsbeschaffung als weitere große Last. Wir sprachen mit Freunden, ähnlich Betroffenen, befreundeten Ärzten.

Zwei Tage später baten wir um ein Gespräch mit Dr. Kohl. Er erklärte uns ohne etwas zu verschönern oder runterzuspielen die möglichen Chancen, vor allem aber auch die 


damit verbundenen Risiken wie z. B. einer Frühgeburt. Wir konnten soviele Fragen stellen wie wir wollten. Trotz der erheblichen Risiken, die wir uns anhören mussten, aber nicht zuletzt dank der ruhigen und einfühlsamen Aufklärung durch Herrn Dr. Kohl und einem Gespräch mit einer ebenfalls von Dr. Kohl operierten Patientin war uns klar, dass wir die Hoffnung für unser Kind nicht aufgeben wollten, auch wenn es mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Behinderung leben musste. Klar war uns aber auch, dass wir  jedoch keine Chance auslassen wollten und alles nur erdenklich Mögliche tun wollten. Ich wurde dann nach zahlreichen 

Untersuchungen am 18.11.2004  intrauterin als 4. Patientin von Dr. Kohl operiert. Die OP dauerte einige Stunden, verlief aber ohne größere Komplikationen. Nach einer Woche durfte ich sogar wieder nach Hause. Bei einer Nachfolgeuntersuchung konnte sogar kein banana-sign mehr dargestellt werden. Leider bekam ich dann in der 26. SSW einen Blasensprung. Die Schwangerschaft wurde noch einige Tage hinausgezögert bis Rosa dann in der 27. SSW am 22.12.2004 durch einen Notkaiserschnitt geholt werden musste. Unklar ist bis heute geblieben, ob der Patch bei dem Notkaiserschnitt abgerissen ist oder er sich schon vorher gelöst hatte. 


Bei den Ultraschalluntersuchungen hatte bis dahin auf jeden Fall alles gut ausgesehen. Rosa wurde dann 3 Tage später noch einmal durch einen Neurochirurgen operiert und der Rücken erneut verschlossen. Die Neurologen wollten dabei auch direkt einen Shunt setzen, da Rosa erweiterte Ventrikel hatte. Wir informierten uns erneut und nach Rücksprache mit Herrn Dr. Kohl bestanden wir darauf, mit dem Einsetzen eines Shunts zu warten, da für uns die dringende Notwendigkeit und die eindeutigen Anzeichen einfach fehlten. Rosas Entwicklung war in den folgenden Wochen Gott sei Dank gut und es gab keine weiteren Komplikationen, mit denen Frühchen

zusätzlich zu kämpfen haben. Nach gut 3 Monaten Aufenthalt in Bonn konnten wir dann endlich nach Hause. Das Ganze liegt nun 12 Jahre zurück und wir können heute stolz und glücklich sagen, dass es unserer Tochter richtig gut geht. Die ersten 4 Jahre haben wir viel Krankengymnastik mit ihr gemacht und sie wurde mit Orthesen versorgt. Regelmäßige Untersuchungen im SPZ Köln gehörten natürlich auch dazu. Rosa treibt die unterschiedlichsten Sportarten wie Tennis, HipHop, Reiten, Ski fahren, sie nimmt Klavierunterricht. Sie hat keine Einschränkungen im Bewegungsappart (bis auf einen leichten Knicksenkfuß und einer


leichten Schwäche in der Wadenmuskulatur), sie hat bis heute keinen Shunt – obwohl uns dieses Thema noch die ersten drei Jahre begleitet hat. Sie hat normalen Blasen- und Stuhlgang, obwohl in den ersten Untersuchungsjahren ein Fehlen des Reflexes des Schließmuskels festgestellt wurde. Rosa besuchte einen normalen Kindergarten und eine Regelgrundschule. Sie geht heute in die 6. Klasse einer Gemeinschaftsgrundschule. Für uns wäre es heute unvorstellbar, hätten wir uns damals für einen Abbruch entschieden. Herrn Dr. Kohl, mit dem uns heute noch Freundschaft verbindet, wird meine ganze Familie ewig dankbar sein. 

Warum ich den Verein unterstütze, hat aber noch einen ganz anderen Grund: Ich habe im Laufe der letzten Jahre immer wieder Eltern kennengelernt, die mit der Diagnose Spina Bifida bei ihrem ungeborenen Kind plötzlich konfrontriert waren. Immer wieder habe ich die schrecklichen Berichte über Ärzte gehört, die einem zum sofortigen Abbruch raten und auf ganz schreckliche harte Weise die Eltern mit der schweren Diagnose konfrontieren. Die aus Unwissen aber auch zum Teil absichtlich nicht von der Möglichkeit einer intrauterinen OP berichten. Ganz gleich wie sich betroffene Eltern auch entscheiden mögen, finde ich es für alle Betroffenen untröstlich, 


vielleicht erst später nach einem Abbruch oder auch nach der Entbindung eines kranken Kindes über Möglichkeiten zu erfahren, für die man sich vielleicht entschieden hätte. Alle Eltern sollten immer die Wahl haben, alle nur erdenklichen Möglichkeiten auszuschöpfen, auch wenn diese experimentell sind. Die Erfahrung zeigt, dass diese Aufklärung jedoch nur in den seltensten Fällen passiert, Eltern oftmals nur zufällig von diesen Behandlungsmethoden erfahren und dass obwohl diese Operationen und Behandlungen bereits lange über 12 Jahre praktiziert werden.

Die Mutter Janine Reuter ist Teil des Patenprogramms des BFVEK e.V. und freut sich über Ihre Kontaktanfragen mit unserem Online-Formular.

Stand 04.10.2017

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